Wer das Glück hat, für ein Unternehmen zu arbeiten, welches einen Standort in den Staaten hat…
Nach 3 Tagen Kundenbesuch in Alabama, Tennessee und in der New England-Region bot sich mir die Gelegenheit, das Osterwochenende zum Sightseeing an der „oberen“ Ostküste der USA zu verbringen. Das Werk meines Arbeitgebers ist in der Nähe von Hartford stationiert, da ist es südlich nach New York genauso weit wie nördlich nach Boston – die Qual der Wahl also :-).
Für die meisten Personen wäre die Entscheidung wohl zugunsten NY ausgefallen, jedoch lohnt sich ein zweiter Blick in Richtung Boston, zumal die Stadt ja die Geburtsstätte der Vereinigten Staaten von Amerika ist, denn die Unabhängigkeit von England wurde hier von Thomas Jefferson verfasst und ebenso am 4. Juli 1776 proklamiert.
Zudem kann Boston gut vollständig zu Fuß erkundet werden. Und auch die Bostoner Skyline an der Waterfront ist für einen Linzer im Speziellen – aber auch für europäische Verhältnisse im Allgemeinen – doch recht beeindruckend.
Weiters bietet sich in Boston die einmalige Gelegenheit, zwei der weltweiten TOP 3 Universitäten – Harvard und das MIT (Massachusetts Institute of Technology) – besuchen zu können (Rankingquelle).
Wie ihr nun also verstehen könnt, muss es nicht immer NY sein!
Bosten wartet mit einigen bekannten Persönlichkeiten auf: Benjamin Franklin, Edgar Allen Po, Leonard Nimoy, Michael Bloomberg, Mike Stern, Uma Thurman, Mark Wahlberg, …, um nur einige anzuführen. Die vollständige Liste könnt ihr bei Interesse hier auf Wikipedia nachlesen.
Beim Thema Sightseeing in dieser schönen Stadt wird jeder Besucher wohl unweigerlich am Freedom Trail landen, jenen mit einem am Trottoir „roten Strich“ markierten Pfad, der die wichtigsten Schauplätze und Bauwerke der amerikanischen Unabhängigkeitsbemühungen miteinander verbindet. Vom Boston Common Park mit dem Massachusetts State House ausgehend über den Friedhof, auf dem Samuel Adams beerdigt ist, dem Old State House, der Wanderung durch das North End-Viertel bis zur USS Constitution – nur um einige Stationen auszugsweise zu nennen. Der ~4 km lange Weg lässt sich entspannt zu Fuß erkunden, er startet im ertsen öffentlichem Park der Vereinigten Staaten und endet beim Bunker Hill Monument im nördlichen Stadtviertel Charlestown. Jedenfalls ist der Besuch des Freedom Trails gleichbedeutend mit einer Zeitreise zurück in die Kolonialzeit und zugleich Zeitzeuge der Gründung der Vereinigten Staaten – da kann ja NY wohl erstmals nicht mit.
Bei Interesse bucht man eine der geführten Touren entlang des Freedom Trails, die Touristenführerinnen & -führer erscheinen dann in historischen Kostümen – eine originelle Idee!
Die Tour führt auch am lebhaften Gemüsemarkt vorbei – es ist der ehemalige Heumarkt (zB. Spargel preislich die Hälfte im Vergleich zur Heimat) – und durch das italienische Viertel mit seinen unzähligen Ristoranti. Ich finde immer besonderen Gefallen an den ziegelroten Backsteinhäusern samt ihren an der Außenfassade angebrachten Fluchtstiegen – ein Fest für Muster- & Strukturfoto-Fetischisten 😉. Auch die alten Grabsteine und deren Inschriften auf den beiden Friedhöfen am Trail entlang bieten interessante Einblicke in die Leidensgeschichte der irischen Einwanderer, die damals durch die Hungersnot vom Regen in die Traufe gekommen sind. Im 50. Stockwerk des Prudential Towers befindet sich die Aussichtsetage des, nach dem monolithischen, komplett verspiegelten Hancock Towers, zweithöchsten Gebäudes der Stadt. Darin ist eine sehenswerte, liebevoll gestaltete Ausstellung zur Einwanderergeschichte der Vereinigten Staaten zu sehen. Hier wird schnell erlebbar, warum das Zusammengehörigkeitsgefühl und der Nationalstolz der Amerikaner so stark ausgeprägt sind. Dies ist der kleinste gemeinsame, oftmals einzige Nenner, der die sonst doch recht unterschiedlichen Gebräuche und Kulturen der Immigranten zu einem gemeinsamen Ganzen vereint.
Der John Hancock Tower – Spitzname „Sperrholz-Palast“ – hatte übrigens mit einigen schwerwiegenden Problemen nach seiner Fertigstellung zu kämpfen, hier nachzulesen.
Vom Prudential Tower bietet sich dem Besucher ein grandioser Ausblick über ganz Boston, der auch die unterschiedlichen Baustiele der Stadtteile gut sichtbar macht, zB. die Reihenhäuser der Back Bay, die zwischen Wolkenkratzern eingeklemmte Trinity Church in Blickrichtung Down Town, die ich trotz dreimaligem Aufsuchen anhand der angeschlagenen Öffnungszeiten immer verschlossen vorfand, oder die endlose Weite, die sich hinter dem Stadtteil Cambridge nördlich des Charles River auftut.
Durch den Charles River kann mit Amphibienfahrzeugen im Rahmen einer Stadtbesichtigung mit den Boston Duck Tours gefahren werden. Leider hätte es für diese Tour nur mehr frühmorgens Karten gegeben. Wer mich kennt, der weiß aber auch, dass ich mich aber eher nicht zur Spezies der Frühaufsteher zähle. Zumal es mich auch eine Stunde Vorlauf gekostet hätte, um zum Startpunkt der Rundreise zu gelangen.
Die schönsten Skyline-Fotos der Waterfront können vom Fan Pier Park gegenüber dem Gerichtsgebäude (South Boston) aufgenommen werden. Entlang des Ufers bis hin zur Congress Street Bridge, an der Bostoner Tea Party, dem nächsten, geschichtsträchtigen Ort, ergeben sich einige gute Aufnahmeperspektiven.
Wettermäßig durfte ich zum Osterwochenende 2018 Ende März die volle Bandbreite erleben, von Wind, Regen, starker Bewölkung über einen Postkarten-Traumwettertag hin zu winterlichen Bedingungen mit annähernd horizontalem Schneegestöber am dritten Tag, der mich dann die Bücherei und das Museum of Science erkunden ließ. Beide Locations, so sei vorweg verraten, waren eine echte Bereicherung!
In der Boston Public Library, der größten städtischen, öffentlichen Bibliothek in den Vereinigten Staaten war ich der erste Besucher um Punkt Neun am Morgen und das war gut so. Denn ich hatte gerade eine Viertelstunde Zeit, die mit vielen grünen Messinglampen ausgestatteten Lesetische in der Bates Hall, die aus einem Harry Potter-Film stammen könnten, zu besichtigen und zu fotografieren, bevor der Feueralarm ausgelöst wurde und alle Personen inkl. Personal das Gebäude nach draußen ins tobende Schneegestöber verlassen mussten. Also flugs zweimal nach Links um die Ecke gebogen, runter in die Tube und weiter zum Wissenschaftsmuseum direkt am Charles River. Ein tolles Sammelsurium von Dingen, extrem kinderfreundlich gestaltet, das Meiste zum Angreifen und Ausprobieren (zB. sämtliche Arten von mechanischen Verbindungen). Als einzigartig habe ich die Vorführung im Theater of Electricity empfunden, aber davon später mehr in einem eigenen Videobeitrag.
Was ist mir sonst noch Nennwertes in Boston aufgefallen?
- Die U-Bahnlinie Silver Line zum Flughafen, die von einem Bus befahren wird. Es ist in den Tunnels ganz schön eng und ich bewunderte den Buslenker dafür, dass er nicht die beiderseits erhöhten Randsteinen touchierte.
- Wo viel Wasser, dort viele Brücken! Die alten verrosteten Brücken, zB. Charlestown Bridge bzw. die alte, nicht mehr im Einsatz befindliche Drehbrücke hinüber nach South Boston (in der Verlängerung der North Avenue), würden bei uns in Europa wohl keine Benützungsgenehmigung mehr erteilt bekommen. Hier zeigt sich die doch oft im Vergleich zu „good old europe“ marode Infrastruktur in den Staaten. Ein gelungener, architektonischer Gegenspieler zur Charlestown Bridge ist aber gleich in deren Sichtweite – die Leonard P. Zakim Bunker Hill Bridge. Das Besondere an ihr ist die fächerartige Anordnung der Schrägseile samt der dem Bunkerhill Monument nachempfundenen Pfeilerspitze in Form eines Obelisken.
- Und auch die Tobin Bridge des US Highway 1 hat es mir angetan. Die Fachwerkbrücke mit den zwei übereinander angeordneten Fahrbahnen hat einfach eine tolle (geschwungene) Form – für ein gutes Foto hätte ich aber Boston nach Chelsea oder Everett hin verlassen müssen und schließlich lagen ja noch zig andere ungesehene Schätze auf meinem Erkundungstrip durch die Stadt.
- Diese nervigen Sirenen der Einsatzfahrzeuge! Am Samstag zu Mittag bog ein Feuerwehrkommando bei meinem Bummel in Downtown um die Ecke. Mein erster Eindruck dabei war: Himmel hilf, die sind ja noch langsamer als unserer spanischen Wegschnecken unterwegs – wenn’s da mal wirklich pressiert? Gerade so, als wollten sie wirklich alle in der Stadt mit ihrem nervigen Sound beglücken – aber vielleicht war es ja auch nur ein Wochenendausflug zur Probe?
Aber abgesehen davon habe ich Boston über Ostern als ruhige, stets sichere Stadt empfunden. Die Preise für ordentliches Essen – abseits der Burger-Buden – haben mich aber schon sehr verwundert. Trotz des bereits um ein Viertel höher einkalkulierten Durchschnittseinkommens von Massachusetts im Vergleich zu Oberösterreich! Kleines Beispiel gefällig? Seafood-Vorspeise, kleines Steak (Lady-Size) mit einer Beilage, 2 Gläser Rotwein, 0.5l-Flasche Wasser, Trinkgeld und los war ich $ 150! Und das alles in einem vollen Haus, nicht gerade in einem touristischen Hotspot, das Restaurant vollgepackt mit vielen jungen Menschen, die gefeiert haben, als gäbe es kein Morgen und auch kein Limit auf der Kreditkarte.
Auch eine stinknormale Pizza mit vorangegangener Suppe, ein Bier und ein 0,2l-Glas Weißwein in meinem Hotel kosteten mich bereits $100. Der ziemlich geschwätzige Kellner wollte zudem andauernd wissen, wie das Surfen in „good Austria“ sei. Fazit: Ich hätte doch das T-Shirt mit dem Aufdruck „No kangaroos in Austria“ miteinpacken sollen! Ehrlich gesagt, ich hab’s befürchtet 😉, dass diese Frage auf mich zukommen wird.
Wer Kultur & Architektur in einem im Vergleich zu NY überschaubarerem Rahmen erleben möchte, dem kann ich Boston für ein verlängertes Wochenende guten Gewissens empfehlen. Die Bilder zu Boston gibt es dismal aufgrund der vermehrten Anzahl in meinem Portfolio als Lightbox-Diashow zum Anschauen.
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